Mühlenrad

 

Störche
 

Im Frühjahr blickten wir als kleine Kinder in Kremkau zum Storchnest auf und riefen ihm zu, dass er uns Brüder oder Schwestern bringen sollte. Ich habe mir vor fast 50 Jahren noch einen Bruder gewünscht, denn ich hatte ja schon eine Schwester. Es ist nichts draus geworden. Viel später wußten wir Kinder erst, dass der Storch nicht der vermeintliche Kinderbringer war - sie wären ja auch viel zu schwer gewesen.

Mit den eigenen Kindern haben wir später, wenn Sörche auf der Wiese stolzierten, oft das Lied "Auf unserer Wiese gehet was, watet durch die Sümpfe..."gesungen. Damals schon waren Adebar oder Hanotter, wie Mutter und Opa sie auch nannten, etwas ganz besonderes und wir warteten im Frühjahr auf ihre Rückkehr.
Paarung auf dem HorstAuch in Wiepke gab es bis vor etwa 30 Jahren ein Storchenpaar am östlichen Dorfrand, in der Nähe der Mildeniederung. Vor acht Jahren sahen wir am Waldrand zwischen Wiepke und Zichtau über zehn Sörche und wir überlegten, dass es schön wäre, wenn sich hier wieder Sörche ansiedeln würden. Im darauffolgenden zeitigen Frühjahr stellten wir einen Mast mit einem Kunsthorst neben der Scheune des Mühlenhofes auf. Doch nichts passierte...... Später erfuhren wir, dass in der Türkei die Thermik ausgeblieben war, so dass die Störche den Bosporus nicht überwinden konnten und deshalb erst im Sommer kamen. Im Juli kamen dann gleich drei Störche und saßen träge auf dem Nest. Wir vermuten, dass sie noch nicht geschlechtsreif waren.

Im folgenden Jahr war es dann soweit. Am 25. April 1998 kamen beide Störche zur gleichen Zeit, nahmen ihren Horst ein als ob es schon immer so war und verpaarten sich sofort. Störche Eine Woche später war das Nest fertig, das Brutgeschäft begann und Pfingsten hörten wir schon die Jungen piepen. Freudig beobachteten wir "unsere" Störche jeden Tag, genossen das tägliche Klappern, den Nestbau, die unermüdliche Aufzucht der Jungen vom ersten Tageslicht bis zum Einbruch der Nacht und bangten mit ihnen, wenn fremde Störche das Nest erobern wollten. Zwei Jungstörche wurden größer, ein dritter reckte erst Wochen später den Kopf beim Füttern in die Höh. Groß war die Freude als sie nach wochenlangem Flügelschlagen den ersten Satz bis zur Scheune schafften, dort tappsig auf dem First entlang stolzierten und dann nach und nach den Luftraum eroberten. Die beiden älteren Jungstörche wuchsen immer mehr, übten den Flug für die weite Reise und verließen Wiepke Ende August. Noch weitere drei Wochen dauerte es, bis auch der "Kleine" so weit war und mit dem zweiten Altstorch abflog.
Wiepke hatte nun wieder ein Storchenpaar und es stellten sich die Fragen: Hat der Standort Zukunft, obwohl er doch recht weit von der Niederung entfernt ist und kommen die Störche im nächsten Jahr wieder?
Sie kamen spät im April, am 15. / 22.4.1999. Wir waren schon in Sorge und auch die Nachbarn wunderten sich und fragten oft, wo denn wohl die Störche bleiben. Alles wiederholte sich zu unserer Zufriedenheit wie im Jahr zuvor und wieder zogen die Altvögel am Sommerende mit drei Jungtieren gen Süden. So war es auch im Jahr darauf. Beide Störche kamen am 14.4.2000 und alles nahm seinen gewohnten Lauf. Sie besserten ihr Nest aus und erhöhten es beträchtlich. Vier Junge schlüpften, leider wurde eins wenige Tage danach über den Nestrand gestoßen und mit drei Jungen erfolgte die Reise nach Afrika.
Drei erfolgreiche Bruten in den vergangenen Jahren gaben uns die Gewissheit, dass der Kunsthorst und die Umgebung endgültig von den Störchen akzeptiert werden.Aufzeichnungstafel

Der erste Storch im vergangenen Jahr kam bereits am 28. März und der zweite folgte am 4. April. Routiniert begannen beide ihre Familienplanung viel früher als in den Jahren zuvor und das war gut so. Starke Regenfälle und kühle Temperaturen im Mai und Anfang Juni führten dazu, dass viele Storchenpaare Probleme mit der Aufzucht bekommen sollten. Jungvögel verendeten durch Futtermangel oder gingen an Unterkühlung ein. Ein schlechtes Storchenjahr kündigte sich für die Altmark an.
Bedingt durch die frühe Ankunft in Wiepke und ihre Beständigkeit traf diese Prognose für unsere Störche nicht zu. Wir staunten nicht schlecht als sich vier kleine Köpfchen den fütternden Schnäbel der Eltern entgegen reckten. Und wir trauten unseren Augen nicht als wir einen fünften Schnabel sahen. Und so war es dann auch. Die Störche hatten fünf Junge im Nest! Sie konnten alle mit Nahrung versorgen und schon um den 20. Juli flogen die ersten ihre Kreise. Bereits Mitte August begann der Abflug zu den Sammelplätzen für die Rückreise, fast vier Wochen früher als in den Jahren zuvor.
Wir hoffen, dass es im neuen Jahr so weiter geht.
Auch wenn die Bestände in der Altmark recht stabil sind, so sind doch in Europa die Lebensräume gefährdet. Die Hauptbrutgebiete befinden sich in Ostdeutschland und ziehen sich über Polen bis ins Baltikum hin.

Der Weißstorch (Ciconia ciconia) ist etwa 80 cm groß, hat eine Flügelspanne von bis zu zwei Metern und wiegt so zwischen 5 bis 9 Pfund. Männchen und Weibchen sind schwer zu unterscheiden. Männliche Tiere sind meistens etwas größer und der Schnabel ist länger und stärker. Ein Gelege besteht in der Regel aus 2 - 4 Eiern. Die Eier sind etwa doppelt so groß wie Hühnereier.Abenddämmerung Nach etwa 33 Tagen schlüpfen die Jungen. Die Störche ernähren sich nicht hauptsächlich von Fröschen. Zur Aufzucht ihrer Jungen brauchen sie bis zu 10 Pfund Nahrung pro Tag. Alle Kleintiere, die sie in den Niederungen erwischen können (Mäuse, Ratten, Maulwürfe, Heuschrecken, Bodenbrüter und Regenwürmer), stehen auf ihrem Speiseplan. Im Alter von zwei Monaten beginnen die Jungstörche mit den ersten Flugversuchen. Sie werden dann noch etwa weitere vier Wochen gefüttert, bis sie selbständig sind und zum ersten Flug gen Süden vor ihren Eltern aufbrechen.

Wenn Sie uns zur Sommerzeit in der alten Wassermühle Wiepke besuchen, dann können Sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Störche beobachten und ihnen zuhören. Tun Sie es wie der Kalif und sein Großwesir in Wilhelm Hauffs Märchen "Kalif Storch" aber vergessen Sie nicht das Zauberwort: Mutabor. Sonst müssen Sie mit unseren Störchen eine lange und beschwerliche Reise über den Bosporus in den Süden antreten!

Friedrich-Wilhelm Gille



Unsere Storchenkamera

 

Hier eine interessante Seite zum Storchenzug

 
 
 
 
   
  
 

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